Weinberater

Der Weinbranche geht es gut. Immer mehr Menschen finden Gefallen an der komplexen Vielfalt des edelsten Getränks der Welt. Im Jahr 2016 setzte die Branche 285 Milliarden Euro um. Prognosen zufolge soll der Umsatz 2022 mit einer Steigerung von 3,4 Prozent bei 356 Milliarden Euro liegen. Wein ist Lebenskultur, Statussymbol und Teil einer gesunden Ernährungsweise.
Aber Wein ist auch kompliziert. Als Anfänger stehen Sie vor einem schwer zu durchschauenden Angebot. Die Fachsprache von Sommeliere-Gurus schüchtert ein, die Vielzahl von Punkte-Bewertungssystemen verwirrt. Die beste Empfehlung: Folgen Sie Ihrem Geschmack.
Dieser Weinberater versucht, die wichtigsten Auswahlkriterien festzulegen.
Rotwein
In den 90er Jahren kam der Begriff des „Französischen Paradox“ auf. Die Franzosen sind bekannt für eine üppige und fettreiche Esskultur. Trotzdem leiden sie weniger häufig an Herz-/Kreislauferkrankungen als Menschen anderer Nationen.
Mediziner führten diese Umstand auf den französischen Rotwein-Konsum zurück. Seither erleben Weine aus roten Reben einen unerhörten Aufschwung. Und das zu Recht: Einige der komplexesten und langlebigsten Weine werden aus roten Sorten gekeltert. Ein Steckbrief der wichtigsten Rotweinreben hilft in der Auswahl.
Cabernet Sauvignon
Tiefdunkles Rot, Duft nach schwarzen Johannisbeeren, ein dezenter Zedernholz-Anklang und viel Säure und Tannin:
So mutet ein sortenreiner Cabernet-Sauvignon-Rotwein an. Er ist das Rückgrat der Bordeaux-Weine und profitiert von Lagerung und Dekantieren.
Merlot
Fruchtig, körperreich, vollmundig und unkomplizierter zu trinken als der Cabernet-Sauvignon:
Das sind die Merkmale des Merlots. Die adstringierende Kraft der Tannine und Säuren im Bordeaux wird durch den Merlot ausbalanciert. Merlot-Weine sind weniger lang lagerbar.
Pinot Noir
Die Burgundersorte verströmt einen zarten Duft nach Waldbeeren und reifen Erdbeeren, gibt sich im Mund weich und frisch. Sie schmeckt lange und mit komplexen Aromen nach. Deutsche Spätburgunder sind besonders säure- und tanninarm.
Sangiovese
Die Sangiovese ist die italienische Weintraube. Vom einfachen Tischwein bis zum Chianti-Superstar wird alles aus ihr gekeltert. Sie hat viel Säure und Tannine, ist dementsprechend lagerfähig. Chiantis bestehen zu mindestens 80 Prozent aus ihr.
Einfache Weine dieser Sorte sind leicht zugänglich und besitzen ein frisches Kirsch-Bukett. Die komplexeren Tropfen duften nach Brombeeren, Johannisbeeren, Leder, Tabak und Veilchen.
Tempranillo
Milde Säure und ein beeriges Aroma zeichnen die spanische Tempranillo aus. Im Rioja-Gebiet bringt sie einige der weltbesten Rotweine hervor. Im Verschnitt mit der Garnacha-Rebe entstehen vollmundige und lagerfähige Tropfen.
Weißwein
Weißwein wurde in Deutschland lange mit zuckrigen Auslesen der Marke „Oppenheimer Krötenbrunnen“ gleichgesetzt. Diese Zeiten sind vorbei. Rund um den Globus werden aus den wichtigsten weißen Reben komplexe oder erfrischende Weißweine produziert.
Chardonnay
Chardonnay gibt einen Wein von mittlerer Säure und tiefem Aromenspiel aus Zitrus, Apfel, Aprikose und Haselnuss. In den Champagner-Cuvees ist Chardonnay der Leistungsträger. Im Burgund läuft die Rebe zur Spitzenform auf, in Italien erzeugt sie frisch-fruchtige Weine.
In Übersee bringt der Ausbau in Holzfässern cremig-weiche und üppige Tropfen hervor.
Riesling
Riesling ist Deutschlands Aushängeschild: Die Basis einiger der weltbesten Weißweine.
Frisch-elegant, mit feinstem Säurenspiel, einem Bukett nach Zitrusfrüchten, Pfirsichen und Aprikosen, kommen die besten Tropfen von Mosel und Saar. Gute Riesling-Weine gewinnen durch Lagerung und besitzen ein erstaunliches Alterungspotenzial.
Sauvignon Blanc
Die Sauvignon Blanc ist bekannt für ein breites Spektrum lebhafter Aromen. Anklänge von Stachelbeere, frisch gemähtem Gras und Fenchel sind typisch für diese Rebsorte. In Neuseeland werden die Weine sehr fruchtbetont ausgebaut.
Die französischen Sauvignon Blancs präsentieren sich gehaltvoller, mit mineralischen Anklängen und exotischen Fruchtnoten.
Pinot Blanc
Der Pinot Blanc – Weißburgunder – ergibt in Deutschland charaktervolle und ausgewogene Weine.
Das angenehm birnen- und apfelartige Aroma und die frische, aber milde Säure machen den Weißburgunder zu einem idealen Sommerwein.
Roséwein
Roséweine entstehen nicht durch den Verschnitt weißer und roter Sorten. Es gibt unterschiedliche Herstellungsmethoden, bei denen es zu einem nur kurzen oder gar keinem Kontakt des Mostes mit den Schalen der roten Weinbeeren kommt. Roséwein wird entgegen landläufiger Meinung in den meisten Fällen trocken ausgebaut. Je nach verwendeter Rebsorte sind Roséweine ausgesprochen vielseitig im Geschmack.
Provence-Rosés duften nach Erdbeeren, Wassermelonen und Rosenblättern. Sie besitzen eine feine Mineralität und einen angenehm salzigen Nachgeschmack. Die aus Mourvèdre vinifizierten südfranzösischen Rosés überzeugen durch Vollmundigkeit und ein wundervolles florales Bukett. Rosés aus der Sangiovese-Rebe sind für ihr Erdbeer- und Pfirsicharoma bekannt. Ihre leichte Bitternote empfiehlt sie als Essensbegleiter.
Der Tavel stammt aus dem einzigen reinen Rosé-Anbaugebiet der Welt an der Côtes du Rhône. Viel Struktur, kräftiger Körper und recht hoher Alkoholgehalt nähern diesen Rosé dem Rotwein an.
Schaumwein
Schaumwein liegt im Trend. Das Spektrum von günstigen Proseccos bis exklusiven Champagnern macht ihn zum Begleit- und Festgetränk auf jeder Tafel. Die günstigsten Proseccos werden mit Kohlensäure versetzt, mittlere und teurere im Tank oder in der Flasche vergoren. Prosecco hat weniger Kohlensäure als Sekt oder Champagner.
Beim Sekt handelt es sich um einen im Tank oder in der Flasche vergorenen Wein, der aus mehreren Rebsorten verschnitten wird, um den Geschmack der Marke konstant zu halten. „Traditionelle Flaschengärung“ ist ein Qualitätshinweis. Champagner darf nur aus einer fest umschriebenen Region der Champagne stammen. Auch der Champagner ist eine Cuvée – als Leitrebe dient die Chardonnay. Interessante Alternativen zu Sekt und Champagner sind die französischen Crémants und spanischen Cavas. Die Süßegrade der Schaumweine staffeln sich folgendermaßen: Brut Nature, Extra Brut, Brut, Extra Dry, Sec, Demi-Sec, Doux.
Süßweine
Süßweine haben ihr Renommee zurückgewonnen. Längst gilt nicht mehr reines Trocken-Trinken als Weinkennerschaft. Ein hochwertiger Süßwein wird einzig und allein aus seinem traubeneigenen Fruchtzucker hergestellt. Traditionelle Süßweine entstehen durch Edelfäule oder die Unterbrechung der Gärung während der Vinifikation. Der deutsche Eiswein zählt zu den weltweit begehrtesten Süßweinen. Hier werden die Trauben gefroren geerntet und die Eiskristalle beim Pressen schonend vom süßen Most getrennt.
Bei Sherry und Portwein wird der Gärungsprozess durch die Zugabe von Alkohol unterbrochen. Sherry kann auch trocken ausgebaut werden, während Portwein immer süß ist. Der berühmteste, begehrteste und teuerste Süßwein heißt Sauternes. Er ist Produkt eines einmaligen Mikroklimas und des Edelfäule verursachenden Pilzes Botrytis cinerea.
Trinktemperatur
Anfänger im Weintrinken begehen zwei häufige Fehler: Sie trinken Weinwein zu kalt und Rotwein zu warm. Diese Fehler sind eklatant, denn kein Getränk der Welt reagiert so empfindlich auf falsche Temperierung wie Wein.
Der Begriff „zimmerwarm“ stammt aus dem englischen 19. Jahrhundert vor Erfindung der Zentralheizung und bezieht sich auf eine Raumtemperatur von maximal 18 Grad. Bei dieser Temperierung schmecken gehaltvolle Rotweine wie der Bordeaux am besten. Leichtere Rote sollten zwischen 14 und 16 Grad konsumiert werden.
Beaujolais und die fruchtigen deutschen Roten fühlen sich bei 12 Grad am wohlsten. Einen Weißwein aus dem Kühlschrank trinken heißt ihn umbringen. Junge, trockene Weiße schmecken am besten zwischen 9 und 11 Grad. Ein vollmundiger Wein wie der Grauburgunder oder Gewürztraminer darf zwischen 10 und 12 Grad getrunken werden. Nur Sekt, Champagner & Co bereiten direkt aus dem Kühlschrank den größten Genuss. Roséweine und Süßweine schmecken am besten in einem Temperaturbereich zwischen 10 und 12 Grad.
Kombinationsempfehlungen
Das sind die klassischen Kombinationsempfehlungen. Ein paar No-Gos gibt es auch: Eierspeisen beispielsweise verderben durch eine fatale chemische Reaktion jeden Weingenuss.
Die Dogmen der Weinwelt, niemals Rotwein zu Fisch oder Weißwein zu stark gewürzten Speisen zu konsumieren, gelten nicht mehr. Ein kräftiger Weißburgunder hält jedem Döner stand, und eine gegrillte Dorade schwimmt auch gern in rotem Trollinger.
Hier ein paar Faustregeln:
- Rotwein zu schwerem Essen
- Weißwein zu leichtem Essen
- säurehaltiger Wein zu fettigem Essen
- Schaumwein zu fruchtigen Speisen
- Süßwein zu Essen mit Bitteraromen